Wahrheitsgemäße Wiedergabe (Zitatenjudikatur)
Die neutrale wahrheitsgetreue Weiterverbreitung fremder Äußerungen durch Medien ist gerechtfertigt, wenn
- Medien wahrheitsgetreu die Mitteilung eines Dritten wiedergeben; und
- ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung besteht.
Ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Äußerung kann sich aus der Stellung des Zitierten oder aus dem Inhalt des Zitats ergeben. Ein öffentliches Interesse besteht jedenfalls an den Äußerungen hochrangiger Politiker und anderer Personen des öffentlichen Lebens. Bei anderen Personen kann sich das öffentliche Interesse aus dem Inhalt des Zitats ergeben, allerdings muss dies durch „hinreichende Kompetenz“ berichtenswert sein. Wenn sich das zitierende Medium mit der wiedergegebenen Äußerung identifiziert, besteht dieses Privileg nicht. Ob eine Identifikation des Mediums mit der wiedergegebenen Äußerung stattgefunden hat, richtet sich danach, wie die angesprochenen Medienkonsumenten „bei ungezwungener Auslegung“ den Medienbericht verstehen. Versteht ein nicht unerheblicher Teil von ihnen den Bericht als sich mit der Ehrenbeleidigung identifizierend, dann gilt das Privileg nicht.
Journalistische Sorgfalt
Berichterstattung über Begebenheiten von öffentlichem Interesse nach gründlicher Recherche ist die ureigenste Aufgabe der Medien. „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“ – es kann dabei passieren, dass im Einzelfall Dinge berichtet werden, die sich im Nachhinein als unrichtig herausstellen. Mit unrichtigen Behauptungen über Dritte, die diese in ihrer Ehre berühren oder ihren wirtschaftlichen Ruf beeinträchtigen, ist man jedoch schnell im Konflikt mit dem Strafrecht – die Tatbestände heißen Üble Nachrede und Kreditschädigung. Medien sollen aber nicht durch ständige Furcht vor dem Strafrichter mundtot gemacht werden. Aufgrund ihrer wichtigen Funktion im System der rechtsstaatlichen Demokratie besteht daher für Medieninhaber und Medienmitarbeiter ein Berufsprivileg: Werden in ihren Medien ehrenrührige oder den wirtschaftlichen Ruf beeinträchtigende Tatsachen behauptet, sind Medieninhaber und Medienmitarbeiter auch wenn der Wahrheitsbeweis scheitert trotzdem nicht strafbar, wenn folgende Voraussetzungen allesamt gegeben sind:
- Es bestand ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung: Der Nachrichtenwert muss die Schutzinteressen des durch den Bericht in einem Persönlichkeitsrecht Verletzten abwägen. Es muss sich jedenfalls um eine Information handeln, die objektiv betrachtet „Nachrichtenwert“ hat und nicht bloß der Befriedigung der Sensationslust dient. Dies ist grundsätzlich bei Inhalten gegeben, die im weitesten Sinne der politischen Meinungsbildung zuzurechnen sind;
- es wurde mit der gebotenen journalistischen Sorgfalt recherchiert; Aufwendung der journalistischen Sorgfalt bedeutet, dass sachgerecht recherchiert wurde und die Recherche folgenden Mindestanforderungen entspricht: Die Zuverlässigkeit von Informationsquellen ist zu prüfen, Basisinformationen sind zu verifizieren. Die ungeprüfte Weitergabe mitgeteilter Gerüchte entspricht nicht der journalistischen Sorgfalt. Den von der Berichterstattung betroffenen Personen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Nur in Ausnahmefällen kann das unterbleiben – beispielsweise, wenn Informationen über sie aus echten amtlichen Urkunden bezogen werden. Gekennzeichnete APA-Meldungen dürfen zwar ohne Prüfung übernommen werden, werden APA-Meldungen aber in einen Eigenbericht verarbeitet, so bestehen hinsichtlich aller Inhalte dieselben Prüfpflichten wie bei Eigenrecherche;
- es bestanden hinreichende Gründe, die Behauptung für wahr zu halten; Der verantwortliche Journalist muss überzeugt sein, dass die von ihm publizierte Tatsachenbehauptung wahr ist. Dass er es für wahrscheinlich hält, genügt nicht. Zur Überzeugung der Wahrheit muss er auf Basis seiner der journalistischen Sorgfalt gerecht werdenden Recherchen gelangt sein. Das ist im Prozess zu beweisen, um in den Genuss des Haftungsprivilegs zu kommen. Dazu wird es in der Regel nötig sein, die journalistischen Quellen offenzulegen. Weiters muss dargetan werden, warum hinreichende Gründe vorlagen, die Behauptung, die sich im Nachhinein als unwahr oder nicht beweisbar herausgestellt hat, für wahr zu halten; und
- es wurde nicht der höchstpersönliche Lebensbereich verletzt.
Gelingt der Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt, dann entfällt die Strafbarkeit hinsichtlich aller Medieninhaltsdelikte, bei denen der Wahrheitsbeweis zulässig ist, also insbesondere wegen übler Nachrede und Kreditschädigung. Der Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt wirkt nicht strafbefreiend hinsichtlich Tatsachenbehauptungen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen. Bei solchen Angaben ist zur Straffreiheit der Wahrheitsbeweis und der Beweis des unmittelbaren Zusammenhanges mit dem öffentlichen Leben zu erbringen. Nach ständiger Rechtsprechung befreit der Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt auch vom (verschuldensabhängigen) zivilrechtlichen Anspruch auf Widerrufsveröffentlichung. Wird überdies auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung nachgewiesen, befreit der Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt auch vom (verschuldensunabhängigen) Unterlassungsanspruch. Der verschuldensunabhängige Entschädigungsanspruch nach Mediengesetz wegen übler Nachrede, bei dem es ja lediglich auf die „objektive Verwirklichung“ des Tatbestandes ankommt, wird durch den Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt hingegen nicht abgewendet.
Parlamentsberichterstattung
Für „Parlamentsberichterstattung“ auf Bundes- und Landesebene besteht eine totale Immunisierung: sie bleibt von jeder Verantwortung frei. Das bedeutet: Gegen wahrheitsgetreu berichtende Medien kann es keine strafrechtlichen Sanktionen, keine Entschädigungsansprüche (weder nach Mediengesetz noch sonst), keine Gegendarstellungsansprüche und keine sonstigen Veröffentlichungsansprüche durch von der Berichterstattung Betroffene geben.
Von der Immunisierungsbestimmung erfasste Vertretungskörper sind der Nationalrat, der Bundesrat, die Bundesversammlung, die Landtage und sämtliche Ausschüsse dieser Vertretungskörper. Unter „Bericht über die Verhandlung in den öffentlichen Sitzungen“ des jeweiligen Vertretungskörpers fallen:
- Allgemein öffentliche Sitzungen der Vertretungskörper oder ihrer Ausschüsse
- Ausschließlich für Medienvertreter öffentliche Sitzungen der Vertretungskörper oder ihrer Ausschüsse
- Schriftliche parlamentarische Anfragen von Abgeordneten.
Nicht von der Immunisierung erfasst sind Äußerungen von Abgeordneten außerhalb der Sitzungen.
Live-Sendung und Web-Foren
Für Äußerungen in Live-Sendungen, denen keine Sorgfaltsverletzung von Mitarbeitern zugrunde liegt (in der Regel Äußerungen von nicht zum Medienunternehmen gehörigen Personen, zB Interviewgäste), sind Medienunternehmen von Entschädigungsansprüchen nach dem Mediengesetz (für „erlittene Kränkung“) freigestellt.
Das Gleiche gilt für Äußerungen in Fremdbeiträgen auf Websites, zB in Online-Diskussionsforen und Online-Gästebüchern. Auch hier darf dem Medieninhaber keine Sorgfaltsverletzung zuzurechnen sein – das Medienprivileg besteht somit nicht, wenn sich Journalisten mit Äußerungen in solchen Beiträgen identifizieren und auch nicht, wenn sie nachdem sie Kenntnis von konkreten Persönlichkeitsrechtsverletzungen erlangt haben (zB durch Beschwerden Betroffener), die Zugänglichkeit solcher Fremdbeiträge nicht umgehend entfernen. Eine Pflicht zur laufenden Überwachung von Foren besteht aber nicht.
Redaktionsgeheimnis
Das Redaktionsgeheimnis dient dem gemäß Art. 10 EMRK erforderlichen Schutz der journalistischen Quellen. Im Kern sieht es ein Aussageverweigerungsrecht für Medieninhaber und alle Mitarbeiter von Medienunternehmen vor. Zu diesem Personenkreis gehören jedenfalls Verleger und Herausgeber von Tages- und Wochenzeitungen und Magazinen, von Online-Nachrichtendiensten und Nachrichtenagenturen sowie alle Mitarbeiter solcher Unternehmen.
Nach überwiegender Meinung steht das Redaktionsgeheimnis als „Berufsprivileg“ hingegen nicht gelegentlichen Autoren, Gastautoren oder Leserbriefschreibern der soeben genannten Medien und Mediendienste zu.
Bei Medieninhabern und Herausgebern kommt es nicht darauf an, ob ihnen diese Eigenschaft in Form einer (haupt)beruflichen Tätigkeit zukommt. Auch „private“ Website-Betreiber, welche die inhaltliche Gestaltung der Website besorgen oder „die grundlegende Richtung“ der Website bestimmen können sich auf das Redaktionsgeheimnis berufen. Gastautoren solcher Medien – zB „Gast-Blogger“ – können sich nicht auf das Redaktionsgeheimnis berufen. Ähnliches gilt etwa bei den „freien Medien“: die unbezahlt oder bloß nebenbei tätigen Mitarbeiter können sich nicht auf das Redaktionsgeheimnis berufen.
Kern des Redaktionsgeheimnisses ist, wie bereits erwähnt, ein Aussageverweigerungsrecht für Medieninhaber und alle Mitarbeiter von Medienunternehmen. Dieses Aussageverweigerungsrecht ist nicht allumfassend, sondern in mehrerlei Hinsicht beschränkt. Die Aussage kann unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis nur verweigert werden, wenn alle der nachfolgenden Punkte gegeben sind:
- Es geht um eine Einvernahme in einem gerichtlichen Verfahren oder in einem Verwaltungsverfahren;
- die privilegierte Person (Verleger, Journalist, …) wird als Zeuge einvernommen (und nicht etwa als Beschuldigter); und
- die Frage, hinsichtlich derer die Aussage verweigert wird, betrifft journalistische Quellen – es geht also um den Verfasser, Einsender oder „Gewährsmänner“ (Informanten) eines Beitrages.
In der Praxis berufen sich Journalisten, wenn sie die Aussage verweigern wollen, auch als Partei (in der Regel als beklagte Partei) im Zivilprozess oder als Beschuldigter im Strafprozess auf das Redaktionsgeheimnis. Dies ist juristisch unrichtig, weil das Redaktionsgeheimnis nur die Aussageverweigerung als Zeuge rechtfertigt. Die Aussageverweigerung als Partei im Zivilprozess und als Beschuldigter im Strafprozess ist aber ohnedies zulässig:
- Wenn Parteien im Zivilprozess die Aussage verweigern, unterliegt dieser Umstand der freien Beweiswürdigung des Richters (dh es liegt am Richter, seine Schlüsse daraus zu ziehen).
- Im Strafprozess können Beschuldigte immer die Aussage verweigern, das gilt daher auch für Journalisten als Beschuldigte. Auch hier unterliegt die Aussageverweigerung der freien Beweiswürdigung. Zu beachten ist, dass für die Aussageverweigerung als Beschuldigter grundsätzlich kein Umgehungsschutz gilt: Die gewünschte Information kann unter Umständen auch „anderweitig beschafft“ werden (zB durch Sicherstellung und Beschlagnahme von Unterlagen).
Wahrheitsgemäße Wiedergabe (Zitatenjudikatur)
Die neutrale wahrheitsgetreue Weiterverbreitung fremder Äußerungen durch Medien ist gerechtfertigt, wenn
- Medien wahrheitsgetreu die Mitteilung eines Dritten wiedergeben; und
- ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung besteht.
Ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Äußerung kann sich aus der Stellung des Zitierten oder aus dem Inhalt des Zitats ergeben. Ein öffentliches Interesse besteht jedenfalls an den Äußerungen hochrangiger Politiker und anderer Personen des öffentlichen Lebens. Bei anderen Personen kann sich das öffentliche Interesse aus dem Inhalt des Zitats ergeben, allerdings muss dies durch „hinreichende Kompetenz“ berichtenswert sein. Wenn sich das zitierende Medium mit der wiedergegebenen Äußerung identifiziert, besteht dieses Privileg nicht. Ob eine Identifikation des Mediums mit der wiedergegebenen Äußerung stattgefunden hat, richtet sich danach, wie die angesprochenen Medienkonsumenten „bei ungezwungener Auslegung“ den Medienbericht verstehen. Versteht ein nicht unerheblicher Teil von ihnen den Bericht als sich mit der Ehrenbeleidigung identifizierend, dann gilt das Privileg nicht.
Journalistische Sorgfalt
Berichterstattung über Begebenheiten von öffentlichem Interesse nach gründlicher Recherche ist die ureigenste Aufgabe der Medien. „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“ – es kann dabei passieren, dass im Einzelfall Dinge berichtet werden, die sich im Nachhinein als unrichtig herausstellen. Mit unrichtigen Behauptungen über Dritte, die diese in ihrer Ehre berühren oder ihren wirtschaftlichen Ruf beeinträchtigen, ist man jedoch schnell im Konflikt mit dem Strafrecht – die Tatbestände heißen Üble Nachrede und Kreditschädigung. Medien sollen aber nicht durch ständige Furcht vor dem Strafrichter mundtot gemacht werden. Aufgrund ihrer wichtigen Funktion im System der rechtsstaatlichen Demokratie besteht daher für Medieninhaber und Medienmitarbeiter ein Berufsprivileg: Werden in ihren Medien ehrenrührige oder den wirtschaftlichen Ruf beeinträchtigende Tatsachen behauptet, sind Medieninhaber und Medienmitarbeiter auch wenn der Wahrheitsbeweis scheitert trotzdem nicht strafbar, wenn folgende Voraussetzungen allesamt gegeben sind:
- Es bestand ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung: Der Nachrichtenwert muss die Schutzinteressen des durch den Bericht in einem Persönlichkeitsrecht Verletzten abwägen. Es muss sich jedenfalls um eine Information handeln, die objektiv betrachtet „Nachrichtenwert“ hat und nicht bloß der Befriedigung der Sensationslust dient. Dies ist grundsätzlich bei Inhalten gegeben, die im weitesten Sinne der politischen Meinungsbildung zuzurechnen sind;
- es wurde mit der gebotenen journalistischen Sorgfalt recherchiert; Aufwendung der journalistischen Sorgfalt bedeutet, dass sachgerecht recherchiert wurde und die Recherche folgenden Mindestanforderungen entspricht: Die Zuverlässigkeit von Informationsquellen ist zu prüfen, Basisinformationen sind zu verifizieren. Die ungeprüfte Weitergabe mitgeteilter Gerüchte entspricht nicht der journalistischen Sorgfalt. Den von der Berichterstattung betroffenen Personen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Nur in Ausnahmefällen kann das unterbleiben – beispielsweise, wenn Informationen über sie aus echten amtlichen Urkunden bezogen werden. Gekennzeichnete APA-Meldungen dürfen zwar ohne Prüfung übernommen werden, werden APA-Meldungen aber in einen Eigenbericht verarbeitet, so bestehen hinsichtlich aller Inhalte dieselben Prüfpflichten wie bei Eigenrecherche;
- es bestanden hinreichende Gründe, die Behauptung für wahr zu halten; Der verantwortliche Journalist muss überzeugt sein, dass die von ihm publizierte Tatsachenbehauptung wahr ist. Dass er es für wahrscheinlich hält, genügt nicht. Zur Überzeugung der Wahrheit muss er auf Basis seiner der journalistischen Sorgfalt gerecht werdenden Recherchen gelangt sein. Das ist im Prozess zu beweisen, um in den Genuss des Haftungsprivilegs zu kommen. Dazu wird es in der Regel nötig sein, die journalistischen Quellen offenzulegen. Weiters muss dargetan werden, warum hinreichende Gründe vorlagen, die Behauptung, die sich im Nachhinein als unwahr oder nicht beweisbar herausgestellt hat, für wahr zu halten; und
- es wurde nicht der höchstpersönliche Lebensbereich verletzt.
Gelingt der Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt, dann entfällt die Strafbarkeit hinsichtlich aller Medieninhaltsdelikte, bei denen der Wahrheitsbeweis zulässig ist, also insbesondere wegen übler Nachrede und Kreditschädigung. Der Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt wirkt nicht strafbefreiend hinsichtlich Tatsachenbehauptungen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen. Bei solchen Angaben ist zur Straffreiheit der Wahrheitsbeweis und der Beweis des unmittelbaren Zusammenhanges mit dem öffentlichen Leben zu erbringen. Nach ständiger Rechtsprechung befreit der Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt auch vom (verschuldensabhängigen) zivilrechtlichen Anspruch auf Widerrufsveröffentlichung. Wird überdies auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung nachgewiesen, befreit der Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt auch vom (verschuldensunabhängigen) Unterlassungsanspruch. Der verschuldensunabhängige Entschädigungsanspruch nach Mediengesetz wegen übler Nachrede, bei dem es ja lediglich auf die „objektive Verwirklichung“ des Tatbestandes ankommt, wird durch den Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt hingegen nicht abgewendet.
- Medien wahrheitsgetreu die Mitteilung eines Dritten wiedergeben; und
- ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung besteht.
Ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Äußerung kann sich aus der Stellung des Zitierten oder aus dem Inhalt des Zitats ergeben. Ein öffentliches Interesse besteht jedenfalls an den Äußerungen hochrangiger Politiker und anderer Personen des öffentlichen Lebens. Bei anderen Personen kann sich das öffentliche Interesse aus dem Inhalt des Zitats ergeben, allerdings muss dies durch „hinreichende Kompetenz“ berichtenswert sein. Wenn sich das zitierende Medium mit der wiedergegebenen Äußerung identifiziert, besteht dieses Privileg nicht. Ob eine Identifikation des Mediums mit der wiedergegebenen Äußerung stattgefunden hat, richtet sich danach, wie die angesprochenen Medienkonsumenten „bei ungezwungener Auslegung“ den Medienbericht verstehen. Versteht ein nicht unerheblicher Teil von ihnen den Bericht als sich mit der Ehrenbeleidigung identifizierend, dann gilt das Privileg nicht.
Journalistische Sorgfalt
Berichterstattung über Begebenheiten von öffentlichem Interesse nach gründlicher Recherche ist die ureigenste Aufgabe der Medien. „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“ – es kann dabei passieren, dass im Einzelfall Dinge berichtet werden, die sich im Nachhinein als unrichtig herausstellen. Mit unrichtigen Behauptungen über Dritte, die diese in ihrer Ehre berühren oder ihren wirtschaftlichen Ruf beeinträchtigen, ist man jedoch schnell im Konflikt mit dem Strafrecht – die Tatbestände heißen Üble Nachrede und Kreditschädigung. Medien sollen aber nicht durch ständige Furcht vor dem Strafrichter mundtot gemacht werden. Aufgrund ihrer wichtigen Funktion im System der rechtsstaatlichen Demokratie besteht daher für Medieninhaber und Medienmitarbeiter ein Berufsprivileg: Werden in ihren Medien ehrenrührige oder den wirtschaftlichen Ruf beeinträchtigende Tatsachen behauptet, sind Medieninhaber und Medienmitarbeiter auch wenn der Wahrheitsbeweis scheitert trotzdem nicht strafbar, wenn folgende Voraussetzungen allesamt gegeben sind:
- Es bestand ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung: Der Nachrichtenwert muss die Schutzinteressen des durch den Bericht in einem Persönlichkeitsrecht Verletzten abwägen. Es muss sich jedenfalls um eine Information handeln, die objektiv betrachtet „Nachrichtenwert“ hat und nicht bloß der Befriedigung der Sensationslust dient. Dies ist grundsätzlich bei Inhalten gegeben, die im weitesten Sinne der politischen Meinungsbildung zuzurechnen sind;
- es wurde mit der gebotenen journalistischen Sorgfalt recherchiert; Aufwendung der journalistischen Sorgfalt bedeutet, dass sachgerecht recherchiert wurde und die Recherche folgenden Mindestanforderungen entspricht: Die Zuverlässigkeit von Informationsquellen ist zu prüfen, Basisinformationen sind zu verifizieren. Die ungeprüfte Weitergabe mitgeteilter Gerüchte entspricht nicht der journalistischen Sorgfalt. Den von der Berichterstattung betroffenen Personen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Nur in Ausnahmefällen kann das unterbleiben – beispielsweise, wenn Informationen über sie aus echten amtlichen Urkunden bezogen werden. Gekennzeichnete APA-Meldungen dürfen zwar ohne Prüfung übernommen werden, werden APA-Meldungen aber in einen Eigenbericht verarbeitet, so bestehen hinsichtlich aller Inhalte dieselben Prüfpflichten wie bei Eigenrecherche;
- es bestanden hinreichende Gründe, die Behauptung für wahr zu halten; Der verantwortliche Journalist muss überzeugt sein, dass die von ihm publizierte Tatsachenbehauptung wahr ist. Dass er es für wahrscheinlich hält, genügt nicht. Zur Überzeugung der Wahrheit muss er auf Basis seiner der journalistischen Sorgfalt gerecht werdenden Recherchen gelangt sein. Das ist im Prozess zu beweisen, um in den Genuss des Haftungsprivilegs zu kommen. Dazu wird es in der Regel nötig sein, die journalistischen Quellen offenzulegen. Weiters muss dargetan werden, warum hinreichende Gründe vorlagen, die Behauptung, die sich im Nachhinein als unwahr oder nicht beweisbar herausgestellt hat, für wahr zu halten; und
- es wurde nicht der höchstpersönliche Lebensbereich verletzt.
Gelingt der Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt, dann entfällt die Strafbarkeit hinsichtlich aller Medieninhaltsdelikte, bei denen der Wahrheitsbeweis zulässig ist, also insbesondere wegen übler Nachrede und Kreditschädigung. Der Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt wirkt nicht strafbefreiend hinsichtlich Tatsachenbehauptungen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen. Bei solchen Angaben ist zur Straffreiheit der Wahrheitsbeweis und der Beweis des unmittelbaren Zusammenhanges mit dem öffentlichen Leben zu erbringen. Nach ständiger Rechtsprechung befreit der Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt auch vom (verschuldensabhängigen) zivilrechtlichen Anspruch auf Widerrufsveröffentlichung. Wird überdies auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung nachgewiesen, befreit der Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt auch vom (verschuldensunabhängigen) Unterlassungsanspruch. Der verschuldensunabhängige Entschädigungsanspruch nach Mediengesetz wegen übler Nachrede, bei dem es ja lediglich auf die „objektive Verwirklichung“ des Tatbestandes ankommt, wird durch den Beweis der Wahrung der journalistischen Sorgfalt hingegen nicht abgewendet.
Parlamentsberichterstattung
Für „Parlamentsberichterstattung“ auf Bundes- und Landesebene besteht eine totale Immunisierung: sie bleibt von jeder Verantwortung frei. Das bedeutet: Gegen wahrheitsgetreu berichtende Medien kann es keine strafrechtlichen Sanktionen, keine Entschädigungsansprüche (weder nach Mediengesetz noch sonst), keine Gegendarstellungsansprüche und keine sonstigen Veröffentlichungsansprüche durch von der Berichterstattung Betroffene geben.
Von der Immunisierungsbestimmung erfasste Vertretungskörper sind der Nationalrat, der Bundesrat, die Bundesversammlung, die Landtage und sämtliche Ausschüsse dieser Vertretungskörper. Unter „Bericht über die Verhandlung in den öffentlichen Sitzungen“ des jeweiligen Vertretungskörpers fallen:
- Allgemein öffentliche Sitzungen der Vertretungskörper oder ihrer Ausschüsse
- Ausschließlich für Medienvertreter öffentliche Sitzungen der Vertretungskörper oder ihrer Ausschüsse
- Schriftliche parlamentarische Anfragen von Abgeordneten.
Nicht von der Immunisierung erfasst sind Äußerungen von Abgeordneten außerhalb der Sitzungen.
Live-Sendung und Web-Foren
Für Äußerungen in Live-Sendungen, denen keine Sorgfaltsverletzung von Mitarbeitern zugrunde liegt (in der Regel Äußerungen von nicht zum Medienunternehmen gehörigen Personen, zB Interviewgäste), sind Medienunternehmen von Entschädigungsansprüchen nach dem Mediengesetz (für „erlittene Kränkung“) freigestellt.
Das Gleiche gilt für Äußerungen in Fremdbeiträgen auf Websites, zB in Online-Diskussionsforen und Online-Gästebüchern. Auch hier darf dem Medieninhaber keine Sorgfaltsverletzung zuzurechnen sein – das Medienprivileg besteht somit nicht, wenn sich Journalisten mit Äußerungen in solchen Beiträgen identifizieren und auch nicht, wenn sie nachdem sie Kenntnis von konkreten Persönlichkeitsrechtsverletzungen erlangt haben (zB durch Beschwerden Betroffener), die Zugänglichkeit solcher Fremdbeiträge nicht umgehend entfernen. Eine Pflicht zur laufenden Überwachung von Foren besteht aber nicht.
Redaktionsgeheimnis
Das Redaktionsgeheimnis dient dem gemäß Art. 10 EMRK erforderlichen Schutz der journalistischen Quellen. Im Kern sieht es ein Aussageverweigerungsrecht für Medieninhaber und alle Mitarbeiter von Medienunternehmen vor. Zu diesem Personenkreis gehören jedenfalls Verleger und Herausgeber von Tages- und Wochenzeitungen und Magazinen, von Online-Nachrichtendiensten und Nachrichtenagenturen sowie alle Mitarbeiter solcher Unternehmen.
Nach überwiegender Meinung steht das Redaktionsgeheimnis als „Berufsprivileg“ hingegen nicht gelegentlichen Autoren, Gastautoren oder Leserbriefschreibern der soeben genannten Medien und Mediendienste zu.
Bei Medieninhabern und Herausgebern kommt es nicht darauf an, ob ihnen diese Eigenschaft in Form einer (haupt)beruflichen Tätigkeit zukommt. Auch „private“ Website-Betreiber, welche die inhaltliche Gestaltung der Website besorgen oder „die grundlegende Richtung“ der Website bestimmen können sich auf das Redaktionsgeheimnis berufen. Gastautoren solcher Medien – zB „Gast-Blogger“ – können sich nicht auf das Redaktionsgeheimnis berufen. Ähnliches gilt etwa bei den „freien Medien“: die unbezahlt oder bloß nebenbei tätigen Mitarbeiter können sich nicht auf das Redaktionsgeheimnis berufen.
Kern des Redaktionsgeheimnisses ist, wie bereits erwähnt, ein Aussageverweigerungsrecht für Medieninhaber und alle Mitarbeiter von Medienunternehmen. Dieses Aussageverweigerungsrecht ist nicht allumfassend, sondern in mehrerlei Hinsicht beschränkt. Die Aussage kann unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis nur verweigert werden, wenn alle der nachfolgenden Punkte gegeben sind:
- Es geht um eine Einvernahme in einem gerichtlichen Verfahren oder in einem Verwaltungsverfahren;
- die privilegierte Person (Verleger, Journalist, …) wird als Zeuge einvernommen (und nicht etwa als Beschuldigter); und
- die Frage, hinsichtlich derer die Aussage verweigert wird, betrifft journalistische Quellen – es geht also um den Verfasser, Einsender oder „Gewährsmänner“ (Informanten) eines Beitrages.
In der Praxis berufen sich Journalisten, wenn sie die Aussage verweigern wollen, auch als Partei (in der Regel als beklagte Partei) im Zivilprozess oder als Beschuldigter im Strafprozess auf das Redaktionsgeheimnis. Dies ist juristisch unrichtig, weil das Redaktionsgeheimnis nur die Aussageverweigerung als Zeuge rechtfertigt. Die Aussageverweigerung als Partei im Zivilprozess und als Beschuldigter im Strafprozess ist aber ohnedies zulässig:
- Wenn Parteien im Zivilprozess die Aussage verweigern, unterliegt dieser Umstand der freien Beweiswürdigung des Richters (dh es liegt am Richter, seine Schlüsse daraus zu ziehen).
- Im Strafprozess können Beschuldigte immer die Aussage verweigern, das gilt daher auch für Journalisten als Beschuldigte. Auch hier unterliegt die Aussageverweigerung der freien Beweiswürdigung. Zu beachten ist, dass für die Aussageverweigerung als Beschuldigter grundsätzlich kein Umgehungsschutz gilt: Die gewünschte Information kann unter Umständen auch „anderweitig beschafft“ werden (zB durch Sicherstellung und Beschlagnahme von Unterlagen).