„Hass im Netz“-Paket

Am 10. Dezember wurde das „Hass im Netz“-Paket in dritter Lesung angenommen, planmäßig soll das Paket am 15. Dezember den Bundesrat passieren. Gegenüber den im einleitend durchgeführten Begutachtungsverfahren vorgestellten Gesetzesentwürfen wurden nur unwesentliche Änderungen vorgenommen. Die wichtigsten Neuerungen, die allesamt mit 1. Jänner 2021 in Kraft treten, stellen sich somit wie folgt dar:

  1. Kommunikationsplattformengesetz

Das neue Kommunikationsplattformengesetz sieht unter anderem ein Beschwerdeverfahren für betroffene NutzerInnen vor und verschärft die Pflicht von Plattformbetreibern zur umgehenden Löschung rechtswidriger Inhalte. Medienunternehmen im Sinne des Mediengesetzes sind vom Kommunikationsplattformengesetz nicht erfasst, auch nicht deren Postingforen zu Beiträgen. Die wichtigsten Pflichten der Pattformanbieter:

  • Meldeverfahren für den Umgang mit strafrechtswidrigen Inhalten: Eine Funktion zur Meldung von Inhalten muss leicht auffindbar, ständig verfügbar und einfach handhabbar implementiert werden. Nutzer (sowohl der Melder als auch der Uploader) müssen über die Entscheidung über einen gemeldeten Inhalt begründet informiert werden. Eindeutig rechtsverletzende Inhalte müssen binnen 24 Stunden gesperrt werden, wo eine rechtliche Prüfung aufgrund komplexerer Sachlage erforderlich ist, muss eine Entscheidung binnen sieben Tagen getroffen werden.
  • Berichtspflicht: Diensteanbieter sind verpflichtet, jährlich, im Fall von Kommunikationsplattfomen mit über einer Million registrierten Nutzern vierteljährlich, einen Bericht über den Umgang mit Meldungen über behauptete rechtswidrige Inhalte zu erstellen und der Aufsichtsbehörde spätestens einen Monat nach Ende des im Bericht erfassten Kalenderjahres zu übermitteln. Der Bericht ist überdies gleichzeitig mit der Übermittlung auf der eigenen Website ständig und leicht auffindbar bereitzustellen.
  • Pflicht zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten: Vom Gesetz erfasste Diensteanbieter müssen einen verantwortlichen Beauftragten bestellen, der über eine für die Einhaltung des Gesetzes erforderliche Anordnungsbefugnis sowie über die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache und die für die Besorgung seiner Aufgaben erforderliche Ressourcenausstattung verfügen. Die Kontaktdaten des verantwortlichen Beauftragten sind für die Nutzer ständig leicht und unmittelbar  auffindbar zur Verfügung zu stellen. Der verantwortliche Beauftragte muss für die Aufsichtsbehörde jederzeit erreichbar sein.

Mit Aufsicht und Durchsetzung ist die KommAustria betraut. Sie kann als Aufsichtsbehörde über Diensteanbieter je nach Art und Schwere des Verstoßes Geldstrafen in der Höhe von bis zu zehn Millionen Euro zu verhängen. Vom Gesetz erfasste Kommunikationsplattformen haben bis Ende März 2021 – also drei Monate ab Inkrafttreten des Gesetztes – Zeit, die neuen Verpflichtungen umzusetzen.

  1. Neue Zivilrechtliche Persönlichkeitsschutzregelungen im ABGB

Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch des Dienstgebers 

Neu geschaffen wird die Möglichkeit des Dienstgebers, selbst gegen Hasspostings vorzugehen, die gegen seine Mitarbeiter gerichtet sind (§ 20 ABGB), wenn diese  in Zusammenhang mit der Tätigkeit stehen und geeignet sind, die Möglichkeiten des Dienstgebers, den Dienstnehmer einzusetzen zu beeinträchtigen oder das Ansehen des Dienstgebers erheblich zu schädigen. Die Geltendmachung des Anspruchs des Dienstgebers ist nicht an die Zustimmung des Dienstnehmers geknüpft.

Immaterieller Schadenersatzanspruch gegen Social Media Betreiber

Explizite normiert wird ein Anspruch auf immateriellen Schadenersatzes bei Verletzung der Privatsphäre über ein elektronisches Kommunikationsnetz (§ 1328a ABGB). Schon bisher kann eine immaterielle Entschädigung nach ABGB grundsätzlich wegen erheblicher Verletzung der Privatsphäre geltend gemacht werden. Die Verantwortung für Verletzungen der Privatsphäre durch Medien richtet sich hingegen allein nach dem Mediengesetz. Der Gesetzesvorschlag schlägt einen generellen Entschädigungsanspruch gegen den Plattformbetreiber bei Veröffentlichung von Nutzerbeiträgen ohne redaktionelle Kontrolle. Mit der neuen Regelung wird ein immaterieller Entschädigungsanspruch gegen Social Media Betreiber geschaffen, potenziell aber auch die Möglichkeit von Entschädigungsansprüchen gegen Medienunternehmen im Zusammenhang mit User Postings in unmoderierten Foren erweitert. Eine Haftung für redaktionell nicht kontrollierten User Generated Content setzt aber, auch wenn ein expliziter Verweis fehlt, weiterhin voraus, dass das Haftungsprivileg nach § 16 ECG nicht anwendbar ist: Dieses sieht vor, dass eine Haftung des Dienstanbieters nur in Betracht kommt, wenn dieser zuvor auf die Rechtsverletzung hingewiesen wurde und den rechtverletzenden Inhalt nicht unverzüglich beseitigt hat.

Vereinfachtes Unterlassungsverfahren bei Hasspostings

In der Zivilprozessordnung wird ein Mandatserfahren für Hasspostings samt Möglichkeit zur sofortigen Vollstreckbarkeit (ZPO) geschaffen. Durch Normierung eines Niedrigen Streitwerts (€ 5.000,-) wird das Verfahren sowohl hinsichtlich der Gerichtsgebühr als auch hinsichtlich der Anwaltskosten besonders kostengünstig gestaltet (und damit auch das Kostenersatzrisiko bei Unterliegen reduziert). Das Verfahren fällt in die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts. Zu befürchten ist eine bezirksgerichtliche Parallelgerichtsbarkeit gegen Medien in Bezug auf deren Foren, weil – anders als nach dem Kommunikationsplatformen-Gesetz – im neuen Mandatsverfahren wegen Hasspostings keine Ausnahme zugunsten von Medienunternehmen festgelegt ist.

Außerstreitiger Antrag auf Herausgabe von Nutzerdaten

Die Herausgabe von Nutzerdaten nach § 18 Abs. 4 E-Commerce-Gesetz, welche bisher direkt beim Provider geltend gemacht werden musste, muss künftig im Außerstreitverfahren gerichtlich beantragt werden. Damit werden Provider (auch Medienunternehmen hinsichtlich der bei Ihnen registrierten Forenposter) entlastet, da die Abwägung zwischen Auskunftsanspruch und Datenschutz des registrierten Nutzers nicht mehr von ihnen selbst vorgenommen werden muss.

  1. Änderungen im Mediengesetz

Entschädigungshöhe

Medienrechtliche Entschädigungen sind künftig mit mindestens 100 Euro festzusetzen, Obergrenze ist künftig generell 40.000 Euro bzw. nach den §§6, 7 oder 7c bei  besonders  schwerwiegenden Auswirkungen der Veröffentlichung und einem besonders  schwerwiegenden Verstoß gegen die gebotene journalistische Sorgfalt 100.000 Euro.

Ausweitung des Identitätsschutzes

Der Identitätsschutz wird auf Angehörige von Opfern sowie auf Zeugen von Straftaten (§ 7a Abs. 1a MedienG) erweitert. Außerdem sollen Auskunftspersonen vor einem Untersuchungsausschuss Identitätsschutz erhalten.

Längere Frist zur Geltendmachung medienrechtlicher Entschädigungsansprüche für Opfer von Straftaten 

Die Frist von sechs Monaten zur Geltendmachung medienrechtlicher Entschädigungsansprüche wird für  Opfer, die von einer Straftat besonders betroffen sind, auf ein Jahr verlängert. Konkret: Personen, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt oder in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnten sowie der Ehegatte, der eingetragene Partner, der Lebensgefährte, die Verwandten in gerader Linie, der Bruder oder die Schwester einer Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt worden sein könnte, oder andere Angehörige, die Zeugen der Tat waren (§ 8a Abs. 2 MedienG).

Strafbarkeitsverjährung für Medieninhaltsdelikte in elektronischen Medien

Die Regelungen über die Verjährung (der Strafbarkeit) eines Medieninhaltsdelikts werden für abrufbare periodische elektronische Medien (§ 1 Abs. 1 Z 5a lit. b MedienG), also insbesondere Websites, angepasst, indem festgelegt wird, dass die Verjährungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn die Mitteilung oder Darbietung gelöscht wird (§ 32 MedienG).

Medienrechtliche Klagebefugnis des Dienstgebers

Parallel zur zivilrechtlichen Arbeitgeberklagebefugnis wird auch ein medienrechtlicher Anspruch des Dienstgebers auf Einziehung und Löschung von Veröffentlichungen über seinen Dienstnehmer geschaffen: In Fällen, in denen die inkriminierte Äußerung zwar gegen eine bestimmte Person gerichtet, aber in Wahrheit dadurch motiviert ist, dass diese Person ihrer beruflichen Tätigkeit nachgeht, also ihr eigentliches Ziel der Arbeit- oder Dienstgeber der Person ist, und die inkriminierte Äußerung eine derartige Intensität erreicht, dass die Möglichkeiten des Arbeit- oder Dienstgebers, die Person einzusetzen, nicht unerheblich beeinträchtigt oder das Ansehen des Arbeit- oder Dienstgebers erheblich geschädigt werden könnten, wird dem Arbeit- oder Dienstgeber die Befugnis eingeräumt, einen Antrag auf Einziehung zu stellen (§ 33a MedienG).

Einziehungsanspruch gegen Host-Provider

Einziehung (einschließlich der vom Arbeit- oder Dienstgeber beantragten), Urteilsveröffentlichung und Beschlagnahme (§§ 33, 33a, 34 und 36) können, wenn der Medieninhaber (§ 1 Abs. 1 Z 8) nicht greifbar ist, weil er sich etwa im Ausland befindet, künftig auch direkt dem Hostingdiensteanbieter (Hostprovider) angeordnet werden (§ 36b MedienG).

  1. Änderungsvorhaben im materiellen Strafrecht

Cybermobbing

Der „Cybermobbing“-Tatbestand des § 107c StGB wird erweitert und erfasst nunmehr „fortdauernde“ statt „fortgesetzte“ Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems: Gemäß der Judikatur zu § 107c StGB idgF erforderte die Verwirklichung des Tatbestands bisher jedenfalls mehrere Handlungen. Das bedeutet in der Praxis, dass bisher Fälle, in denen jemand beispielsweise einmal ein Nacktfoto einer anderen Person ins Internet stellt, nicht von § 107c StGB erfasst werden, selbst wenn dieses eine längere Zeit hindurch für Dritte wahrnehmbar ist.  Durch Entfall des Kriteriums der „fortgesetzten“ Tatbegehung“ und Abstellung auf „fortdauernde Belästigung“ in § 107c StGB werden künftig bereits einzelne die Ehre oder den höchstpersönlichen Lebensbereich verletzende Veröffentlichung strafrechtlich verfolgbar.

Unbefugte Bildaufnahme

Als § 120a StGB wird ein neuer Straftatbestand „unbefugte Bildaufnahme“ in das Strafgesetzbuch eingefügt: Tatbestandsmäßig ist die absichtliche Bildaufnahme (und Zugänglichmachung der Bildaufnahme gegenüber Dritten) der Genitalien, der Schamgegend, des Gesäßes, der weiblichen Brust oder der diese Körperstellen bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person ohne deren Einwilligung, wenn diese Person die genannten Bereiche durch Bekleidung oder vergleichbare Textilien gegen Anblick geschützt hat oder sich in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, ohne deren Einwilligung. Die Herstellung solcher Bildaufnahmen ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer eine solche Bildaufnahme  einem Dritten zugänglich macht oder veröffentlicht.“

Den Materialien ist zu entnehmen, dass durch das Erfordernis der Absichtlichkeit nicht Aufnahmen erfasst, bei denen die Abbildung von Genitalien, weiblicher Brust, Gesäß oder Unterwäsche nicht absichtlich erfolgt sondern „nur“ mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen wird, zB beim Aussteigen von Stars aus Limousine, plötzlichen Busenblitzern etc. Strafbarkeit für die Veröffentlichung solcher Bildaufnahmen wäre hingegen dann gegeben, wenn der Veröffentlichende (mit zumindest bedingtem Vorsatz) davon ausgeht, dass der Fotograf absichtlich ohne Einwilligung Genitalien, Busen, Unterwäsche etc fotografieren wollte. Dies könnte im Bereich der Boulevard- und Societyberichterstattung im Zusammenhang mit Paparazzi-Fotos strafrechtliche Verantwortung des veröffentlichenden Medieninhabers begründen, wobei im Einzelfall die Verhältnismäßigkeit des Strafrechts als Sanktion fraglich sein kann.

Individualverhetzung

Der Tatbestand des § 283 Abs. 1 Z 2 StGB (Verhetzung) wird erweitert durch Aufnahme von die Menschenwürde verletzenden Individualbeleidigungen gegen einzelne Angehörige geschützter Gruppen. Wesentliche Folge ist, dass die individuelle Beleidigung, wenn sie verhetzenden Charakter im Sinne des § 283 StGB hat, vom Privatanklagedelikt zum Offizialdelikt wird.

  1. Änderungsvorhaben im Bereich Strafprozessrecht

Schließlich kommt es zu einer Reihe von Änderungen im Strafprozessrecht, darunter insbesondere:

Opfer-Prozessbegleitung

Hier erfolgt eine Neustrukturierung und Ausweitung der Prozessbegleitung auf bestimmte Opfer (minderjährige Zeugen von Gewalt im sozialen Nahraum und Opfer „typischer“ Hass im Netz-Delikte);

Täterausforschung bei Internet-Privatanklagedelikten

Hinsichtlich Privatanklagedelikten, die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen werden, wird durch Neuregelung des § 71 StPO eine Möglichkeit zur erleichterten Ausforschung des Täters geschaffen;

Stammdatenauskunft

Ergänzung des § 76a StPO (Stammdatenauskunft gegenüber KriPo und StA) um sonstige Diensteanbieter (§ 3 Z 2 ECG);

Weitgehender Entfall der Kostenersatzpflicht des Privatanklägers für die Verfahrenskosten bei Internet-Ehrendelikten

In Strafverfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB), Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB), oder Beleidigung (§ 115 StGB), die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurden, ist der Privatankläger oder Antragsteller (§ 71 Abs. 1) nur zum Kostenersatz verpflichtet, wenn er den Vorwurf wissentlich falsch erhoben hat.