Rechtsnews: Auswirkungen der Causa Glawischnig
10. Juli 2019

Verschärfte Sorgfaltspflichten für Forenbetreiber?

Im Juni wurden die Schlussanträge des Generalanwalts in der Causa Glawischnig gegen Facebook veröffentlicht. Folgt der EuGH dem Generalanwalt, hat dies auch weitreichende Konsequenzen für Medienunternehmen, die Onlineforen betreiben. Kern des Verfahrens bildet die Frage, inwieweit Facebook verpflichtet ist, nach einer dokumentierten Rechtsverletzung gleichartige rechtswidrige Postings seiner Nutzer proaktiv zu löschen bzw. zu verhindern.

Die ehemalige Klubobfrau der Grünen, Eva Glawischnig-Piesczek, prozessiert gegen Facebook wegen eines ehrverletzenden Postings eines Nutzers. Sie beantragte beim Handelsgericht Wien, Facebook mittels einstwilliger Verfügung aufzutragen, die Veröffentlichung bzw. Verbreitung von Lichtbildern ihrer Person mit den ehrverletzenden Behauptungen in wörtlicher und sinngleicher Form zu unterlassen. Facebook bekämpfte die einstweilige Verfügung und machte das Posting lediglich in Österreich unzugänglich, in anderen Ländern blieb es weiterhin abrufbar. Der OGH legte dem EuGH daraufhin einen Katalog von Fragen zur Entscheidung vor – im Wesentlichen geht es um Folgendes:

  • Umfasst die Löschungsverpflichtung nur das konkrete rechtsverletzende Posting oder auch zukünftige wortgleiche bzw. sinngleiche Postings?
  • Erstreckt sich die Löschungsverpflichtung nur auf den Mitgliedstaat, in dem die Löschung begehrt wird oder gilt sie allenfalls sogar weltweit?

Der zuständige Generalanwalt beim EuGH kommt in seinen Schlussanträgen zu folgendem Ergebnis:

  • Ein Forenbetreiber kann als Host-Provider aufgrund eines rechtsverletzenden Postings verpflichtet werden, alle mit dem rechtsverletzenden Inhalt wortgleichen Postings anderer Nutzerder Plattform (somit insbesondere auch Shares bzw. Re-Tweets) zu identifizieren und zu löschen; sowie alle mit dem rechtsverletzenden Inhalt sinngleichen Postings desselben Nutzers zu identifizieren und zu löschen. Das Unionsrecht steht dabei einer vollständigen, nicht auf die Grenzen des Mitgliedstaats oder der europäischen Union beschränkten Löschpflicht nicht entgegen.
  • Der Plattformbetreiber könne hingegen nicht verpflichtet werden, sämtliche Inhalte aller Nutzer der Plattform nach zum rechtsverletzenden Posting sinngleichen Äußerungen zu durchsuchen; wird er aber auf sinngleiche Postings aufmerksam gemacht, muss er diese löschen.

Folgt der EuGH dem Generalanwalt, werden Betreiber von Online-Meinungsforen verpflichtet, nach einer dokumentierten Rechtsverletzung proaktiv wortgleiche Postings anderer Nutzer sowie auch sinngleiche Postings des Rechtsverletzers zu löschen und die neuerliche Veröffentlichung solcher Postings durch Überwachung über einen definierten Zeitraum hinweg zu verhindern. Plattformbetreiber, welche dem nicht entsprechen, könnten fürs solche Inhalte haftbar werden. Der EuGH ist an die Schlussanträge zwar nicht gebunden, folgt ihnen aber in der überwiegenden Zahl der Fälle. Mit dem Urteil des EuGH ist in der zweiten Jahreshälfte zu rechnen.