Aktuell führe die österreichische Medienpolitik Diskussionen von gestern: „Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, müssen wir zulassen, dass sich alles verändert“, zitierte Grünberger den italienischen Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Das derzeitige Finanzierungssystem des ORF müsse hinterfragt und über die Einführung einer Haushaltsabgabe diskutiert werden: „Wer erzeugt überhaupt öffentlich-rechtliche Inhalte? Das sind nicht nur die Rundfunksender, sondern selbstverständlich auch Zeitungen und Magazine.“
Auch vernünftige europäische Datenschutzregeln und eine Steuergerechtigkeit im Mediensystem – etwa bei der Werbeabgabe – nannte Grünberger als weitere zukunftsentscheidende Themen. Darüber hinaus dränge der VÖZ die Medienpolitik auch dazu, adäquate Rahmenbedingungen im Arbeits- und Sozialrecht zu schaffen. Eine Flexibilisierung sei hier laut Grünberger „höchst an der Zeit und für einen funktionierenden Medienbetrieb absolut unerlässlich“.
Peter Lammerhuber, CEO der Medienplaners GroupM, sieht den österreichischen Online-Werbemarkt durch „programmatic advertising“ gefährdet. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz verwies auf sein jüngst präsentiertes Positionspapier und trat einmal dafür ein, bei den ORF-Gebühren die „Streaminglücke“ zu schließen. Ernst Swoboda (Verband Österreichischer Privatsender) wünscht sich eine Politik für einen „starken Medienmarkt und Medienstandort insgesamt“.
Kein medienpolitischer Konsens in Österreich
Aus den Wortmeldungen der Medienpolitiker am Podium ergab sich indes vor allem ein Konsens: Es gibt kaum einen medienpolitischen Konsens in Österreich. „Ich kenne kaum einen politischen Bereich, der so zerfahren ist“, meinte ÖVP-Mediensprecher Gernot Blümel. Ihn wundert und ärgert unter anderem, „dass alle so tun, als ob Medienpolitik in Österreich ausschließlich ORF-Politik wäre“. Immerhin sah er die öffentliche Finanzierung für Medien in der Runde außer Streit, allerdings brauche es eine „klare Trennung“ zwischen öffentlich und vom Markt finanzierten Medien.
SPÖ-Mediensprecher Cap wies die Vorhaltung zurück, die heimische Medienpolitik habe in den vergangenen Jahren mehr verhindert als umgesetzt. „Jedes Mal bekommen wir alle ein schlechtes Gewissen, weil wir wieder irgendein Jahrhundert verschlafen haben“, so seine ironische Rückschau auf ähnlich gelagerte Podiumsdiskussionen. Ihm gehe es jedenfalls um einen „wirklich starken Öffentlich-rechtlichen und ein duales System, das funktioniert“.
Der Grüne Mediensprecher Dieter Brosz sieht „Räume entstehen“, in denen Parteien sich ihre eigenen Medien schaffen, um Journalismus auszuhebeln. Glaudia Gamon, Mediensprecherin der NEOS, sieht es als Aufgabe der Politik, „Rahmenbedingungen“ für die Medienproduktion zu schaffen „und dann machen lassen“. Politik sei nicht dafür zuständig, „sich über jede einzelne redaktionelle Entscheidungen aufzuregen“. Letzteres tat indes FPÖ-Vertreterin und ORF-Publikumsrätin Susanne Fürst, der ORF habe etwa in der Causa Silberstein nicht adäquat berichtet, sprach sie wörtlich von einem „Medienskandal“. Dass die „Nachfrage nach alternativen Nachrichten und das Bedürfnis nach Austausch in den sozialen Medien so groß“ sei, müsste die traditionellen Medien zu Selbstkritik anregen.
Ob sich nach der Wahl wirklich medienpolitisch viel tun wird, beurteilte das Gros der Diskutanten skeptisch. „Wir stehen in fünf Jahren genau dort, wo wir jetzt sind, weil niemand sich drübertraut“, befürchtete Lammerhuber. „Es wird ein Bekenntnis zu einer anderen Presseförderung geben, und nachher eventuell passieren, was immer passiert, nämlich gar nichts“, so Brosz. Und auch bei einer Haushaltsabgabe scheint derzeit kein Potenzial für einen großen Wurf vorhanden.